Kaputte Sünder

„Glorreiche Ketzereien" von Lisa McInerney, 446 S., 24 Euro

Lisa McInerney wurde 1981 in der irischen Provinz Connacht geboren. Erste Erfolge feierte sie mit ihren Blog „Arse End of Ireland". Ihr schreibender Landsmann Kevin „Dunkle Stadt Bohane" Barry ermutigte sie schließlich, auch Kurzgeschichten zu schreiben, die in diversen Magazinen und Anthologien abgedruckt und sogar im Radioprogramm der BBC ausgestrahlt wurden. 2015 veröffentlichte McInerney mit „The Glorious Heresies" ihren Debütroman, der nun als „Glorreiche Ketzereien" in der Übersetzung von Werner Löcher-Lawrence auf Deutsch erschienen ist, nachdem McInerney zwischenzeitlich u. a. den Baileys Women's Prize for Fiction und eine Nominierung für den Irish Book Award erhalten hat. Die Flut an Preisen und Nominierungen, die sich inzwischen in anderen Ländern fortsetzte, kommt nicht von ungefähr. „Glorreiche Ketzereien" ist feinster Irish Noir, und mehr als ein Krimi. In ihrem düsteren Gesellschaftsroman seziert McInerney die Seele der modernen Iren und geht dahin, wo der Schmerz lauert. Es geht um Verbrechen, Schuld, Blutsbande, Liebe, Reue und Erlösung – und darum, wie die bigotte Haltung der alten Iren zu Familie, Sex, Schande und der katholischen Kirche noch bis auf die jüngeren Generationen nachwirkt. Um das darzustellen, bedient sich McInerney, die heute in Ken Bruens bzw. Jack Taylors Heimatstadt Galway lebt, einer betörend frischen, markanten und schönen, aber nie weichen Prosa. Mit der verknüpft sie durch die Launen des Zufalls die Leben mehrerer kaputter Abgestürzter, Sünder und Krimineller, die einander in ihrem Streben und Treiben noch kaputter machen. Wer ohnehin auf Bruen und Co. steht, kommt an diesem Roman auf keinen Fall vorbei, und auch für alle anderen ist das hier ein ganz großes Werk. Dass das Ende etwas abrupt wirkt, hat einen ganz einfachen Grund: Im Original ist bereits eine Fortsetzung erschienen.

Christian Endres