„Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt", Jesmyn Ward, Kunstmann, 304 S., 22 Euro
Geschichten über die amerikanischen Südstaaten zapfen meist auf irgendeine Art das Schaffen von William Faulkner (1897–1962) und von Flannery O'Connor (1925–1964) an. Doch wo man auf Deutsch seit ewigen Zeiten problemlos an die Werke Faulkners herankommt, musste man sich bei O'Connor lange antiquarisch anstrengen. Das ändert sich jetzt mit dem Band „Keiner Menschenseele kann man noch trauen" (Arche, 352 S.), der zehn Erzählungen O'Connors in neuer Übersetzung präsentiert. Man liegt keineswegs jeder Story zu Füßen, erkennt jedoch, wieso der Spirit dieser Königin der Südstaatenliteratur bis heute zu spüren ist – selbst wenn bei ihren Nachfolgern nicht Texas, sondern Mississippi als Handlungsschauplatz dient. Etwa in dem wunderbar vielstimmigen, historischen Roman „Mudbound" (Pendo, 15 Euro), den Hillary Jordan bereits vor knapp zehn Jahren geschrieben hat und der erst durch die aktuell auf Netflix stehende Verfilmung zu einer deutschen Übersetzung kam. Oder in „Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt", dem neuen Roman von Jesmyn Ward. Wie „Vor dem Sturm", wurde auch ihr jüngstes Buch mit dem National Book Award ausgezeichnet. „Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt" behandelt eine schwarze Mehrgenerationenfamilie zwischen Armut, Hoffnung, Krankheit, Drogen und der Vergangenheit: Den persönlichen Dämonen, ein paar guten Geistern sowie dem Erbe des Rassismus, den schon Faulkner, O'Connor und Co. beschrieben. Die Kapitel dieser modernen, melancholischen Geschichte, die aus der Sicht des zehnjährigen Jojo und seiner abhängigen Mutter Leonie geschildert werden, sind stilistisch über jeden Zweifel erhaben. Ob einen „Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt" packt, steht bei aller sprachlicher Schönheit, aller Dringlichkeit und Wichtigkeit der Themen und aller literarischen Güte allerdings auf einem anderen Blatt.
Christian Endres
Stand: 12.03.2018
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