„Speicher 13", von Jon McGregor, Liebeskind, 352 S., 22 Euro
Wer einen besonders krassen Roman aus den Bereichen Krimi und Thriller lesen will, der greift im noch recht jungen Literaturjahr 2018 am besten gleich mal zu „Mann am Boden" (Tropen, 319 S., 14,95 Euro), dem neuen Noir-Reißer von Roger Smith. Angesiedelt zwischen Johannesburg in Südafrika und Tuscon in den Vereinigten Staaten, eskaliert Smith' übertriebener Pageturner rasant-brutal vor sich hin und verlangt schier danach, in einem atemlosen Rutsch durchgelesen zu werden. Mindestens genauso fesselnd, aber ansonsten wirklich komplett anders als „Mann am Boden" kommt Jon McGregors neuer Roman „Speicher 13" daher. Das Buch handelt von einem kleinen Dorf in England, das unter einer Hügellandschaft voller Torfmoore und Speicherseen liegt. Hier verschwindet eines Tages die Tochter einer Touristenfamilie beim Wandern, schnell rücken Polizei und Presse an. Seine Nominierung für den Booker Prize verdiente sich der 1976 auf den Bermudainseln geborene, heute in Nottingham lebende McGregor allerdings nicht mit der zu erwartenden Krimi-Geschichte, sondern durch seine gelungenen Beschreibungen der Dörfler aus interessanten Blickwinkeln. Die besondere Perspektive auf Menschen und Schicksale hat schon McGregors frühere Werke ausgezeichnet, überzeugender als in „Speicher 13" war seine Masche aber noch nie. Mit einer ruhigen, präzisen Sprache und einem ungewöhnlichen Rhythmus inszeniert er eine literarische Seifenoper über die Leute, die Natur, das gnadenlose Verstreichen der Jahre und die Leben, die in der Zeit seit dem Verschwinden des Mädchens mit Höhen und Tiefen gelebt werden. Darauf muss man sich anfangs einlassen, doch wenn einen Stil und Stimmung eher früher denn später packen, dann wird McGregors „Speicher 13" auf seine ganz eigene Weise eine absolut fesselnde und zutiefst beeindruckende Lektüre.
Christian Endres
Stand: 12.02.2018
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