791 km

Kinostart: 14.12.; Regie: Tobi Baumann;
Besetzung: Iris Berben, Joachim Król, Lena Urzendowsky u.a.

Ein Mainstream-Roadmovie, bei dem man mit seinen eigenen Vorurteilen konfron-tiert wird – das hat was. Die Masterminds dahinter: Drehbuchroutinier Gernot Gricksch („Robert Immermann wundert sich über die Liebe", „Grüner geht's nicht, sagte der Gärtner und flog davon") und Komödienspezialist Tobi Baumann („Der Wixxer", „Pastewka").
Sie schicken eine Gruppe höchst unter-schiedlicher Leute in eine Notsituation und packen sie in ein Taxi, das von Mün-chen läppische „791 km" nach Hamburg unterwegs ist. Schnell hat man die Insas-sen in die richtige Schublade gepackt: Da ist Marianne (Iris Berben), die gealterte Esoterikerin, die durchgeknallte Außensei-terin Susi (Lena Urzendowsky), der Schluffi Philipp (Ben Münchow), liiert mit der Karrierefrau mit Migrationshinter-grund Tina (Nilam Farooq). Chauffiert werden sie vom Taxifahrer Joseph (Joachim Król), der sozusagen als „Vol-kes Stimme" fungiert. Ein schlimmer Sturm lässt die Bahn und den Flugverkehr aussetzen und hat die vier Fahrgäste in Josephs Taxi zusammengebracht.
Die Kunst von Regie und Drehbuch ist es nun, zum einen, die kammerspielartige Szenerie innerhalb eines Fahrzeugs in der filmischen Umsetzung kinotauglich zu machen, zum anderen nach und nach wie bei einer Zwiebel die charakterlichen Schalen der Protagonisten abzublättern. Und siehe da: Immer öfter ertappt man sich dabei, die festgelegte Meinung über eine der Figuren ebenso auf den Prüfstand stellen zu müssen wie die handelnden Personen selbst. Das ist unterhaltsam, auf eine unaufdringliche Art auch in die Tiefe gehend und durchweg gut gespielt. Und so erleben wir in der nächtlichen Fahrt eine ähnliche Katharsis wie die Figuren – und sehen zudem eine Komödie über eine der Säulen unserer immer wackeliger werden-den Gesellschaft: das menschliche Miteinander.

Martin Schwarz