Film
 

Ich mache immer Liebes-Filme

Thomas Stuber

Interview mit Thomas Stuber zu „Die stillen Trabanten"

Mit seinem Abschlussfilm „Von Hunden und Pferden" holte Thomas Stuber den Studentenoscar. Sein Kinodebüt „Herbert" wurde gleich dreifach mit dem deutschen Filmpreis prämiert. Seine Lovestory „In den Gängen" sorgte auf der Berlinale für viel Furore. Bei allen drei Filmen stammen die Geschichten von Clemens Meyer. Dessen Kurzfilmsammlung dient nun auch als Vorlage für „Die stillen Trabanten", eine dreifache Liebesge-schichte aus dem Osten der Republik. Mit dem Regisseur unterhielt sich unser Mitarbeiter Dieter Oßwald.

Doppelpunkt: Herr Stuber, welches Etikett hätten Sie gerne: Liebesfilm, Heimatfilm oder Wertschätzungs-Märchen?
Stuber: Ich glaube, ich mache immer Liebesfilme. Auch Heimat ist für Clemens Meyer und mich immer wieder ein spannendes Thema, mit dem wir uns gerne beschäftigen. Das war bei „In den Gängen" bereits so und es wird hier nun auf andere Weise fortgesetzt. Wir gehen nun einen Schritt weiter und beschäftigen uns neben der Liebe auch mit der Frage nach Heimat und Identität.
Doppelpunkt: Mit Clemens Meyer arbeiten sie schon viele Jahre zusammen. Wie sieht die Arbeit konkret aus?
Stuber: Clemens geht viel seine eigenen Wege und macht mit Büchern und Kurzge-schichten sein eigenes Ding. Umgekehrt arbeite auch ich nicht bei jedem meiner Projekte mit ihm zusammen. Am Tag nach der „In den Gängen"-Premiere auf der Berlinale ging es mir allerdings schon so, dass ich Clemens fragte: Wollen wir nicht nochmals etwas zusammen machen? Braucht es noch Stuber-Meyer fürs Kino? Das war der erste Anstoß für „Die stillen Trabanten".
Doppelpunkt: Neben Stuber-Meyer geht es ja noch weiter über den Produzenten Jochen Laube und Schauspieler Peter Kurth - gibt es so etwas wie eine kreative Familie, mit der Sie immer wieder arbeiten?
Stuber: Auf jeden Fall! Zu dieser Familie gehört auch der Kameramann Peter Matjasko, der schon seit „Herbert" dabei ist. Sowie der Editor Kaya Inan oder die Szenenbildnerin Jenny Roesler. Natürlich produziert Jochen Laube noch andere Filme und Serien, es ist also nicht so, dass man verheiratet wäre und ausschließlich miteinander arbeitet. Aber ich fühle mich bei ihm und seiner „Sommerhaus"-Produktionsfirma total zu Hause, ich fühle mich dort geschützt und geschätzt.
Doppelpunkt: Neues Familienmitglied ist nun Nastassja Kinski. Die hat einst mit Wenders, Polanski und Coppola gedreht, dann hat man länger nichts mehr von ihr gehört, wie kam es zu der Besetzung?
Stuber: Im Unterschied zu „In den Gängen", wo ich die Rolle eigens für Sandra Hüller geschrieben hatte, war diesmal unklar, wer die beiden Frauen spielen sollten. Ab Mitte 50 haben Schauspielerinnen es im Kino, ganz anders als ihre männlichen Kollegen, zunehmend schwierig Rollen zu bekommen. Ich überlegte: Wer wurde denn schon lange vergessen? Und so kam ich auf die Frage: Was macht eigentlich Nastassja? Die Idee fand ich genial, zumal in der Kombination mit Martina Gedeck. Das half auch, einen möglichen Ost-Mief zu verhindern. Bei uns wird der Osten nicht kleingemacht, sondern bekommt mit dieser Besetzung eine Größe und Erhabenheit.
Doppelpunkt: Die beiden Frauen feiern ihre lesbische Liebe mit durchaus freizügigen Szenen. Sind solche Selbstverständlichkeiten mittlerweile auf der Leinwand ebenso selbstverständlich?
Stuber: Ich wollte drei Liebesgeschichten erzählen, die miteinander verwoben sind. Es sollte um sehr unterschiedliche Paare gehen. Mir war es wichtig, bei dieser Schilderung auch deutlich und konsequent zu sein. Natürlich habe ich dazu niemanden gezwungen, aber die Frage der Freizügigkeit war von Anfang an gestellt: Wollen wir das? Was wollt ihr? Dabei habe ich nie Probleme gespürt, ganz im Gegenteil. Es ist einfach normal, 2022 eine lesbische Liebesszene zu zeigen. Vielleicht ist es nicht ganz so normal, dass diese Szene in einer Dusche auf dem Bahnhof spielt. Und es sich um zwei sechzigjährige Frauen handelt und nicht um zwei Zwanzigjährige wie in Hollywood.
Doppelpunkt: Diese Dusche wirkt wenig einladend. Wie macht man das interessant für die Zuschauer?
Stuber: Ich wollte die Dinge so darstellen, wie sie aussehen. Und eine Bahnhofsdusche oder -toilette sieht ebenso aus, wie sie aussieht. Die Herausforderung des Zuschauers ist an dieser Stelle, dass er auch bei unangeneh-men Momenten hinsehen und mitfühlen muss. Er wird zweifelsfrei einer ungewöhnlichen Situation ausgesetzt. Umso größer wirken diese kleinen schönen Augenblicke, in denen das Glück die Oberhand gewinnt, und versprühen eine größere Freude.
Doppelpunkt: Menschen aus einfachen Verhältnissen spielen im Kino gemeinhin keine große Rolle. Wie kommt es bei Ihnen zu diesem Interesse?
Stuber: Ich bin jetzt kein Robin Hood, der eine politische Mission verfolgt. Ich bin Filmemacher, der spannende Themen sucht. Das war bei Fellini doch nicht anders, dessen Buch „Faces" steht bei mir ganz vorne im Bücherregal. Für mich bieten diese einfachen Verhältnisse eine leuchtende, empathische Welt. Dort bietet sich viel mehr und bessere Geschichten als in einer saturierten Welt.
Doppelpunkt: Dann dürften Sie kein großer Fan des Cannes-Gewinners Ruben Östlund und „Triangle of Sadness" sein?
Stuber: Ruben Östlund macht genau das Gegenteil, so entsteht eine Satire. Das ist auch beeindruckend, aber es hat mit Empathie wenig zu tun. Das ist genial, aber eben auch kalt. Irgendwann hat man für diese saturierte Welt nur noch Verachtung übrig. Da fühle ich mich schon lieber einem Ken Loach oder Aki Kaurismäki verbunden. Dort geht es nicht um Kühle, sondern um eine Nähe zu den Figuren. Der einzige Ausweg in dieser beschissenen Welt, liegt darin, mitei-nander Zuneigung und Wertschätzung zu zeigen. Alles andere führt in den Abgrund und in den Krieg.

Dieter Oßwald

Stand: 22.11.2022

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