Filmstart: 31.3.
Regie: Jerry Rothwell
„Was Sie schon immer über Autismus wissen wollten und nicht zu fragen wagten", könnte frei nach Woody Allen der alternative Titel dieser faszinierenden Dokumentation sein. Jene Frage hat sich einst der 13jährige Japaner Naoki Higashida gestellt. Selbst Autist, beschrieb er seine Lebenswelt in einem Buch und landete damit einen internationalen Besteller. Bei der Verfilmung wollte der mittlerweile 25-Jährige nicht dabei sein, das Buch solle für sich selbst sprechen. Das tut es tatsächlich dank eines klugen Konzepts, welches mit intimen Porträts eine Handvoll junger Autisten aus unterschiedlichen Ländern vorstellt. Ein Ich-Erzähler übernimmt die Reiseleitung und liest Passagen aus dem Buch vor. „Kannst du dir vorstellen, wie dein Leben wäre, wenn du nicht sagen könntest, was du sagen möchtest?", fragt er gleich zu Beginn das Publikum. Der Besuch bei der jungen Inderin Amrit zeigt, wie das Mädchen sich durch Malen ausdrückt und es bis zur eigenen Ausstellung brachte. Der Engländer Joss fühlt sich frei, wenn er auf einem Trampolin springen kann. Während die Jugendfreunde Ben und Emma in den USA so selbständig leben, dass sie bald eine gemeinsame Wohnung beziehen, hat Jestina in Sierra Leone ein schwierigeres Schicksal: Nach dortigem Aberglauben gelten Autisten als vom Satan besessen. Die Doku setzt ganz auf minimalistischen Stil und ruhiges Tempo. Neben der schlichten Beobachtung der Jugendlichen mischen sich wie in einem Kaleidoskop immer wieder Bilder voller Farbenspiele, fast experimentelle Kunst. Wie Autisten ihre Welt erleben, lässt sich für Außenstehende so schwer nachvollziehen wie die Vorstellung, welches Farbrauschen alle Töne bei Synästhetiker auslösen. Ein kleiner Brückenschlag in diese geheimnisvolle Welt gelingt dieser spannenden Doku allemal.
Dieter Oßwald
Stand: 27.04.2022
Am 25.4. verbindet Mine im E-Werk vielfältige Einflüsse mit verschiedenen Sounds und Instrumenten – Alles außer langweilig!