Jean-Michel Jarre

Hat der französische Elektro-Pionier Jean-Michel Jarre nach 50-jähriger Karriere noch etwas Neues zu sagen? Ja, auch nach 21 Alben und 85 Millionen verkaufter Einheiten schafft er es, sich weiterzuentwickeln - klanglich, technologisch und emotional, weg vom weichen Wohlklang hin zu innovativen, kolossal-wuchtigen Soundclashes. „Oxymore" (Sony) mit elf Tracks ist eine Hommage an den verstorbenen französischen Komponisten Pierre Henry, einer der Helden und Gründerväter der elektronischen Musik des 20. Jahrhunderts. Henry war einer der frühen Vertreter der musique concrète, einem in den 1940ern entwickelten Kompositionsgenre, das aufgenommene Klänge als Rohmaterial verwendet. Mit „Oxymore" greift Jarre dieses Konzept auf und erfindet es mit seinen heutigen Mitteln neu. Fragmente und Samples aus Henrys Werk, die er vor seinem Tod 2017 kreiert hatte, inspirierten Jarre. „Wir wollten eigentlich gemeinsam an meinem „Electronica"-Projekt arbeiten, dann starb er und wir haben es nie getan. Pierres Werk hat mich zu „Oxymore" inspiriert und die Arbeit mit seinen Soundbites hat mich auf einen kreativen Weg geführt, den ich sonst vielleicht nicht eingeschlagen hätte. Ich habe seine Sounds von Track zu Track präzise ausgewählt. So ist „Oxymore" ein Crossover aus Gestern und Morgen geworden, Analoges triff Digitales, Fragmentarisches auf Popstrukturen, Zart-Weiches-Filigranes auf Schroffes-Hartes-Rohes, Industrial, EBM, Techno, Electro-Gefrickel und düsteres DAF-artiges, stets haftet den Stücken etwas Unfertig-Fragmentarisches mit dem Hang zum Destruktiv-Dekonstruktivistischem an - einnehmend im charakteristischen binauralen-mehrkanaligen 360 Grad-3D-Raumklang.

Jürgen Parr