Fehlfarben

In Zeiten großer Orientierungs- und Ratlosigkeit ist ein seit Jahren bewährter Richtungsgeber wie die Fehlfarben auch 2022 mehr als willkommen: „Mach dich auf den Weg, den Weg, den keiner sonst geht, geh ihn nicht allein, allein kommst du nicht heim Heim in jene Zeit, die Zeit, die dir noch bleibt, bleib nicht zu oft stehen, im Stehen wirst du bequem"- schreit Peter Hein heraus, wo's langgeht. Daher ist der Albumtitel „?0??" (Tapete) nicht kryptisch, sondern manifestiert das grundsätzliche Fragezeichen des Lebens, hier ist Fraktur, nicht bedeutungsschwangeres Poesiekuscheln angesagt. Auch 4 Jahre nach dem Debüt „Monarchie und Alltag" und sieben Jahre nach dem letzten Wurf bringen Fehlfarben die bestehenden Ängste und Widersprüche unserer Gesellschaft musikalisch-textlich so intensiv und mit frischem Wumms auf den Punkt. Peter Hein (Zentralorgan), Thomas Schneider (git), Michael Kemner (bs), Frank Fenstermacher (key, sax, perc), Kurt Dahlke (key, synth) und die immer druckvolle Saskia von Klitzing (dr) rauften sich zusammen, um die immer noch pointierteste deutschsprachige Analyse der Lage der Nation in nie älter werdenden PostPunk'n'Roll zu verdichten - denn: „Nicht jede Lösung braucht ein Problem", sagt Altmeister Hein. „Versuch mehr als du kannst, du kannst mehr als verlangt, verlang alles was Du brauchst, Du brauchst mehr, mehr als erlaubt, geraubt ist was Dir fehlt, kein Fehler mehr gefühlt, und ein Gefühl gibt keine Garantie, denn Garantien, die gibt es nie". So thematisieren sie alles zwischen Krieg und Frieden, Freiheit, Alltag, Brot ohne Spiele, Ernährungsprobleme bis Europa, allesamt bewährt ungestüm unheilschwanger, aber dennoch nimmermüde Mahner mit Mut machendem Kampfgeist. Und als Rausschmeißer gibt's den schrillen, groovigen Endzeit-Clubber „3 Kapitäne" für den Tanz auf dem Vulkan. Jürgen Parr