Lambchop

Kurt Wagner hat auf seinem Lambchop-Album „The Bible" (City Slang/Merge) vor allem Gospel, Funk und NeoSoul sowie eine neue Spiritualität für sich entdeckt. Im schwülen Sommer 2021 in Minneapolis in einer zum Proberaum umfunktionierten stillgelegten Lackfabrik entstanden, hat er sich mit dem Pianisten Andrew Broder und seinem Produktionspartner Ryan Olson ans Werk gemacht. „Ryan und Andrew sind wie zwei Seiten meiner Persönlichkeit", sagt Wagner. „Und wenn man sie als Team zusammenbringt, repräsentieren sie mich." Zum Albumtitel und Kontext: „Ich bin kein religiöser Mensch, aber ich glaube, dass viele Menschen eine Spiritualität haben, auch wenn sie nicht religiös sind. Man muss nicht religiös sein, um ein spiritueller Mensch zu sein, oder? Man muss es ein-fach nicht sein. Es sollte eine Akzeptanz geben oder eine Möglichkeit, Spiritualität anzuerkennen, ohne dass sie offenkundig religiös ist.", erklärt Wagner. Zum Ende von Lambchops drittem Jahrzehnt als Band fühlte sich Wagner musikalisch isoliert. Er fragte sich, ob es überhaupt noch Sinn machte, weiter Musik zu machen. „Ich fühle mich komisch, weil ich bald 64 wer-de, Alter, was zum Teufel mache ich da?"- die große kreative und existenzielle Sinn-krise also. Er bringt Jazz, Funk, Gospel, Soul, Elektronik und seinen Wagner-Countrysound mit seiner eher brummeligen Spoken Word-Stimme, gelegentlich au-totuned (er kann es halt nicht lassen) zu-sammen. Die Bandbreite der Themen reicht von den düsteren Schlagzeilen über den Rassenkonflikt im Sommer 2021 in Minne-apolis, die Graffiti vor der Farbenfabrik, die Autoaufkleber vor dem Haus in der Innenstadt von Minneapolis, seine eigenen Gefühle über seinen Vater, der sich zu Hause mit seiner Sterblichkeit auseinander-setzt, oder darüber, dass er selbst das Gleiche tut, wo auch immer er in der Welt sein mag. Ein nachdenkliches Alterswerk, zutiefst reflexiv, stilistisch offen wie nie und am Ende doch ganz typische Wagner-Soundsignatur.

Jürgen Parr