Coldplay ist auf dem Zenith ihres angestrebtem klimaneutralen Frauenversteher-Wohlfühl-Pop angekommen, nicht ohne neue, häufig überraschend unfertige Seiten aufzuschlagen. "Everyday Life", ihr achtes Album, ist ein 53-minütiges kurzes Doppelalbum aus sechzehn Songs in zwei Hälften "Sunrise" und "Sunset" geworden, an dem sie nach eigener Auskunft "die letzten 100 Jahre oder so ungefähr" gear-beitet hätten. Sänger/Pianist Chris Martin, Gitarrist Jonny Buckland, Bassist Guy Berryman und Drummer Will Champion bleiben sich mit midtempo-gefühligem, hymnischen Stadion-Optimisten-Pop wie in "Churches", zarten, zurückgenommen Balladen wie "Trouble in Town", trotz eher traurigem Inhalt bunt-sprudelndem, sonnig-hyperaktivem Popquirl wie „Orphans" treu, legen aber auch atypisch puristische Rein-Gospel wie "BrokEN", moderne Klaviermusik "Daddy" (nur Piano und Martin-Nasal-Quengel, ohne Wall-of-Sound-Gedöns), Desert-/Maghreb-Rock wie "Arabesque", oder einen anachronistisch anmutenden R'n'B-Schmachter wie "Cry Cry Cry" vor, der nach Pete Wingfield klingt. Dazu gibt's Wandergitarren-Skizzen wie "Old Friends", mit "NN" neue Klaviermusik meets East-Spoken-Word-Elektronik-Mystik, oder auch Fieldrecording-ähnliche Soundfragmente wie in "WOTW/POTP", die gerade in ihrer rudimentären, unaufgeblasenen Art vielleicht die neue, puren Coldplay sein könnten-wer weiß. Aber natürlich walzen die majestätischen Synthiflächen in "Everyday Life" am Ende wieder den Weg zurück zu bewährtem Profi-Empathen-Stadion-Feuerzeug-Zuckerwatten-Großpop.
Jürgen Parr
Stand: 12.12.2019
Am 25.4. verbindet Mine im E-Werk vielfältige Einflüsse mit verschiedenen Sounds und Instrumenten – Alles außer langweilig!