Branko

Es entwickelt sich so langsam zum ungeschriebenen Gesetz des ESC: in den Pausen, außerhalb des Wettbewerbs, gibt's die wirklich innovative Musik zu hören. Das war so in Kiew mit Onuka und jetzt wieder in Lissabon mit Branko. „Mir liegt nichts an Musik, die keine Grenzen beseitigen will", erklärt Joao Barbosa aka Branko zu seinem grundsätzlichen Kreativprozess. Barbosa, stark inspiriert von Kuduro, einer hibbeligen, hochenergetischen Tanzmusik aus Angola, begann zu experimentieren und tauchte in Lissabons Club-Szene ein, bevor er 2006 mit drei Freunden Buraka Som Sistema gründete, um damit angolanisch-afrikanische Musiktradition mit cooler Clubmusik zusammenzubringen. 2015 erschien sein Debütalbum „Atlas", das Brankos musikalische Referenzen zwischen Afrika und Club weiterentwickelte, inspiriert von seinen DJ-Reisen nach Kapstadt, New York, Amsterdam und Sao Paulo. Es entstand ein globaler Clubsoundmix, den bis dato so noch keiner vor ihm kreiert hatte, ein Genre-überschreitender Ansatz, der Baile Funk mit Baltimore Clubsound, UK Hardcore und Kuduro, Neon Rave, Garage und AfroHouse zusammenbrachte. Alles im Fluß und immer weiter am Experimentieren entstand 2016 „ATLAS Expanded", das Remixe von Enchufada-Künstlern wie Dotorado Pro, Siete Catorce, Ckrono & Slesh und Rastronaut enthält, aber auch von Soundcamaradas wie Jumping Back Slash, Max le Daron und STAS, die den Globalista-Rhythmen und Sounds der Original-Tracks Elemente von Baile Funk, Afro-House. PostRave, NeoHouse clubomatös hinzufügen. Herausragend der neue Track „Reserva Pra Dois", eine wehmütige und zugleich lässige, poppig-zartschmelzende Hymne mit der kapverdischen Sängerin Mayra Andrade, die Bebel Gilberto-Format hat, und das unwiderstehliche „Out of Sight (So Right) (feat. Rodes)" im Max le Daron-Remix, trancig-hypnotisch-highenergetisch ansteckend, Kuduro trifft Clubgroove. Aktuell gibt es die Zusammenarbeit mit Pedro (Ex- KKing Kong), „MPTS", ein verkürzter, portugiesischer SMS- Begriff für "Meus Putos" (frei übersetzt "meine Crew"), ein repetitiv-treibender Afrodance-Track. Den globalen Clubsoundreiseführer Branko solo und seine zahlreichen kreativen Kollaborationen, die deutlich über den üblichen Tellerrand schauen, sollte man im Auge und noch mehr im Ohr behalten.

Jürgen Parr