Kinostart: 25.12., Regie: Hafsia Herzi;
Darsteller: Nadia Melliti, Ji-Min Park, Amina Ben Mohamed u.a.
Gegen die eigenen Gefühle und Bedürfnisse anzukämpfen, das ist schwer. Die junge, gläubige Muslimin Fatima (Darstellerpreis für Nadia Melliti in Cannes) ist 17 und steht kurz vor dem Abitur. Sie wohnt mit den Eltern und ihren beiden älteren Schwestern in einem Vorort von Paris. In ihrer algerisch-stämmigen Familie sind die muslimischen Traditionen tief verwurzelt, Fatima betet regelmäßig. In der Schule hängt sie mit einer latent aggressiven Gang herum, spielt gerne Fußball, aber nur mit sich alleine. Auch an ihrem Aussehen – Kapuzenpullover, die Basecap tief im Gesicht – ist zu erkennen: Hier will jemand nicht auffallen, hier ist eine Frau mit sich selbst beschäftigt. Denn Fatima ist lesbisch. Ihrem Freund geht sie zunehmend aus dem Weg, obwohl der sie gerne heiraten möchte. Stattdessen beginnt Fatima, nachts die lesbische Szene von Paris zu erkunden, lernt ältere Lesben kennen, von denen sie viel lernt – und sie verliebt sich unsterblich in die Koreanerin Jina (Ji-Min Park). Doch die leidet unter schweren Depressionen.
Basierend auf dem autofiktionalen Roman von Fatima Daas erzählt Drehbuchautorin und Regisseurin Hafsia Herzi von der Selbstfindung einer Frau, die hin und her gerissen ist zwischen Traditionen und Emotionen. Dabei wird hier überraschenderweise auf die große Konfrontation mit der Familie verzichtet, wie man das von so vielen Coming-out-Filmen kennt. Das große Kunststück dieses einfühlsamen Dramas: Obwohl die Kamera stets ganz nah an ihrer Protagonistin ist, hält sie doch immer eine wohltuende Distanz zum Geschehen, beobachtet neugierig, aber nicht aufdringlich. Und da Fatima kein Wort zu viel redet, wird deren Innenleben eben über diese Bilder transportiert. Und die bleiben haften.
Martin Schwarz