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“Ich würde meine Maria nicht hergeben!”

veröffentlicht am 16.11.2025 | Lesezeit: ca. 7 Min.

Stromberg - Wieder alles wie immer

Stromberg - Wieder alles wie immer, Foto © MadeForFilm - Willi Weber

Interview mit Christoph Maria Herbst zu “Stromberg - Der neue Film”

Er ist gelernter Bankkaufmann, doch bald fand Christoph Maria Herbst, 59, die Schauspielerei spannender als das Geld. Mit „Sketchup“ und „Ladykracher“ begann die Comedy-Karriere, mit der Sitcom „Stromberg“ folgte 2004 der Durchbruch. Als Ekelchef räumte er den Grimme-Preis sowie drei Jahre in Folge den Deutschen Comedypreis ab. Zu den Kinofilmen gehören „(T)Raumschiff Surprise“, „Wickie auf großer Fahrt“, „Männerhort“ oder „Er ist wieder da“. Nun folgt das Comeback von „Stromberg“. Mit dem Schauspieler unterhielt sich unser Mitarbeiter Dieter Oßwald.

Doppelpunkt: Herr Herbst, beim Interview vor zehn Jahren haben Sie gesagt, „Stromberg ist in der Horizontalen, in der Vertikalen und in jeder denkbaren Himmelsrichtung erzählt. Er ist jetzt auserzählt.“

Herbst: Ich könnte mir jetzt einen schlanken Fuß machen, wie ein Politiker reagieren, und sagen, was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? So leicht mache ich es mir aber nicht. Es ist eine Menge passiert seitdem. Das Vertikale und Horizontale, um bei dem Bild zu bleiben, sind nochmal neu vermessen worden in der letzten Dekade. Um es kurz zu machen: Ich hatte Bock und unser Autor Ralf Husmann hatte Ideen.

Doppelpunkt: Immerhin haben Sie Bulli geschlagen. Er brauchte 25 Jahre für die „Manitu“-Fortsetzung, Sie nur zehn Jahre!

Herbst: Das will ja keiner erleben, dass wir noch weitere 15 Jahre gewartet hätten. Da wäre ich dann 75 Jahre und Opa Stromberg würde mit dem Rollator ins Büro kommen. Das könnte lustig sein, wäre dann aber nach zwei Minuten auch schon wieder vorbei. Ich muss bei Stromberg sehr viel Text lernen, sehr schnell sprechen und das wird mir natürlich mit den dritten Zähnen nicht gelingen.

Doppelpunkt: Hat Stromberg jene Gulasch-Qualitäten, wonach aufgewärmt noch besser ist als das Original?

Herbst: Gulasch aufgewärmt finde ich ziemlich eklig. Ich würde mehr zur internationalen Küche tendieren und ihn als Pizza bezeichnen. Pizza kann man wirklich kalt sehr gut genießen und schmeckt aufgewärmt manchmal sogar noch besser.

Doppelpunkt: Sie haben gerade gesagt, Stromberg wäre neu vermessen worden. Ist das Unwahre, Hässliche, Böse mittlerweile hoffähiger geworden als noch vor einer Dekade, als es noch keine sozialen Medien gab?

Herbst: Das sehe ich ehrlicherweise genauso. Man reibt sich die Augen, in was für einem schlechten Film man sich ja eigentlich gerade befindet und hofft eigentlich immer, dass einen jemand kneift oder aufweckt. Und man dann sagt, ich hatte einen ganz fiesen Traum und wir müssen alle zur Kenntnis nehmen, dass das Realität ist. Man hat das Gefühl, die Gesellschaft wird immer bipolarer. Es sind Spalter unterwegs. Es sind keine Versöhner mehr da. Es sind Verhinderer da, aber keine Ermöglicher. Das ist ganz, ganz schlimm.

Doppelpunkt: Inwieweit spiegelt sich das im neuen Stromberg wider?

Herbst: Tatsächlich haben wir schon in der Stromberg-Serie Mobbing zum Thema gemacht, als dieses Wort noch gar nicht so bekannt war in der deutschen Gesellschaft. Wir waren unserer Zeit immer schon so ein bisschen voraus. Meine größte Sorge bei einem neuen Film war, dass wir die Figuren an den neuen Zeitgeist verraten. Die Gesellschaft tut ja zumindest so, als wäre sie woker geworden. Das würde Stromberg natürlich schaden. Da wäre die Komödie ad absurdum geführt. Zum Glück ist Ralf Husmann dazu etwas Kongeniales eingefallen.

Doppelpunkt: Worin liegt die Kongenialität denn?

Herbst: Ich habe dieses Drehbuch mit größter Freude gelesen und könnte mir vorstellen, dass es den Menschen, die den Film sehen, dann ähnlich gehen wird. Auch da bleiben wir uns treu und bieten keine reine Komödie. Vordergründig ist das erst mal lustig. Aber dann stellen wir fest, oh Gott, wir schauen ja doch tiefer in die Seele hinein als wir dachten Eigentlich hätten Stromberg den Deutschen Tragedy-Preis verdient.

Doppelpunkt: Laut Filmplakat ist „Wieder alles wie immer!“. Kann man Strombergen auch ohne Vorkenntnisse?

Herbst: Wer kennt Stromberg nicht? Zwar gibt es eine neue Generation von Leuten, die noch gar nicht geboren waren, als Stromberg das Licht der Welt erblickte. Aber die haben sich oft mit Kumpels im alten Partykeller aus den 70er Jahren und ein paar Kästen Bier eingesperrt und die Staffeln hintereinander im Binge-Modus geschaut. Auch wenn ich jetzt klinge wie mein eigener Großvater, die Jugend von heute, die schaut Stromberg. Für die Gen Z ist es wie so eine Mischung aus dystopischen Science-Fiction und Märchenstunde. Nach dem Motto, so Leute kann es doch gar nicht geben.

Doppelpunkt: Gibt es so etwas wie einen Erwartungsdruck à la Bully?

Herbst: Also ich sehe es ganz gelassen. Natürlich würde es uns freuen, wenn da die komplette Nation und noch mehr reingehen. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Stromberg ja eigentlich immer nur eine Spitze von Menschen erreicht hat und nie wirklich so in die ganz breite Breite gegangen ist. Das war bei Bully mit dem „Manitu“ sicherlich anders. Wir haben sicherlich nie die meisten Fans gehabt, aber was ich sagen kann, immer die Besten.

Doppelpunkt: Wie steht es bei Ihnen mit der berühmten Geschichte vom traurigen Clown? Mythos oder Wahrheit?

Herbst: Ich gehöre in diesem Aspekt tatsächlich nicht in die Liga eines Peter Sellers oder anderen großen Kollegen, die was Lustiges vorgeben und dann abends hochdepressiv weinend in die Kissen fallen. Ich zähle mich also nicht zu den Nachtschattengewächsen unter den Menschen.

Doppelpunkt: Wie lustig oder besorgt sehen Sie die Zukunft der Komik in Zeiten von KI?

Herbst: Wenn es darum geht, etwas Geistvolles zu machen, mit Empathie, mit feinem Humor oder einem besonderen Gespür, da kommt die KI nicht in Frage. Bislang finde ich das alles ziemlich seelenlos. Aber das ist Stand von heute. Ich traue KI mit ihrer Lernfähigkeit noch einiges zu.

Doppelpunkt: Zum Schluss die klassische Comedian-Frage: Kennen Sie den dreckigsten Witz der Welt?

Herbst: Nein, da müsste ich wohl bei KI nachfragen. Aber ich könnte Ihnen meinen Lieblingswitz erzählen: Wo geht ein Zyklop hin, wenn er eine Brille braucht? Zum Augearzt!

Doppelpunkt: Die aller letzte Frage: Wäre es kein Quantensprung, wenn Sie der Figur Ihren Mittelnamen verleihen: Bernd Maria Stromberg klingt doch verlockend harmlos und entschärfend?

Herbst: Das stimmt, aber wir sind ja eher dabei, Figuren zu schärfen und nicht umgekehrt zu entschärfen. Der Stromberg soll genauso schlimm bleiben, wie er ist. Ich glaube, eine weibliche Seite wird er bei sich niemals entdecken. Insofern wäre ein Maria hier wirklich kontraproduktiv. Ich würde meine Maria auch nie hergeben.
Dieter Oßwald

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