Dieses Jahr gibt’s im Dezember leider keine Alien Disko, das Festival, das von den Acher Brüdern von The Notwist initiiert wurde und die letzten beiden Male im Münchner Volkstheater stattfand. Mangel an Fördergeldern…. Vor zwei Jahren hatte ich dort die aus Argentinien stammende Sängerin und Produzentin Juana Molina live erleben dürfen - ganz großartig! Bereits ihr letztes Album „Halo“ (2017) und das ursprünglich 2000 erschienene, wiederveröffentlichte Werk „Segundo“ hatten es mir angetan. Zudem gab es auf dem letzten The Notwist Longplayer ein Feature und ebenso auf dem kürzlich erschienenen Album der Kolumbianerin Lucrecia Dalt. Auf ihrem eigenen Label hat sie nun ihre 8. Platte „Doga“ [sonamos] veröffentlicht - hierzulande erstmal nur digital über Bandcamp z.B. oder die gängigen Streamingplattformen - bzw. mittlerweile sehr teuer über Bandcamp zu ordern. Hoffentlich bald auch noch mit europäischem Vertrieb. In Argentinien gibt’s bereits das Doppel-Vinyl… dessen Anschaffung sich schon aufgrund des erneut tollen Coverartworks von Alejandro Ros lohnt. Irgendwo zwischen Folk und Minimal, Club und Homelistening angesiedelt, eine oft treibende Rhythmik und ein tiefenentspannter (Sprech)-Gesang auf innovativen elektronischen Sounds. Das Ende der Pandemie brachte Entwicklungen in vielerlei Hinsicht mit sich: Gemeinsam mit ihrem Produzenten und Manager Mario Agustín de Jesús González gründete Juana das Label Sonamos. Sie kehrte außerdem zu Auftritten in verschiedenen Formaten in den USA, Europa und Asien zurück und löste die Verträge mit den Plattenfirmen. Damit wurde Juana zur unabhängigen Künstlerin. Parallel dazu entstand weiterhin neues Material, und im Frühjahr 2022 buchte sie zehn Tage im Sonorámica-Studio in Córdoba, Argentinien. „Wir hatten eine Vorauswahl der Improviset-Aufnahmen dabei, und dort traten die Ideen für neue Lieder deutlicher hervor“, sagt sie. Inspiriert durch den Erfolg in Córdoba, wurde ihr Heimstudio in den Vororten von Buenos Aires zum Rückzugsort für lange, ausgedehnte Sessions. Mitte 2024 waren bereits fünf Songs skizziert, und es gab noch unzählige Aufnahmen, in die es einzutauchen und daraus ein Album zu machen galt. Emilio Haro stieß in der Endphase als externer Produzent zum Projekt hinzu und Leslie Feist war u.a. auch bei zwei Stücken involviert. Ein Album mit 10 Stücken und 56 Minuten, das gewiss ganz vorne auf meiner Jahresbestenliste angesiedelt sein wird.
Das in Palästina ansässige Bilna’es-Label hatte seit 2020 nur 3 Releases, die jedoch bei mir Eindruck hinterließen und von Julmud und El Kontessa kamen. Nun erschien eine Kollaboration von Haykal, Julmud, Acamol mit dem Titel „Kam Min Janneh“ (arabisch für „Wie viele Himmel“) mit 16 Titeln produziert von Acamol und Julmud, mit Texten von Haykal und Julmud, inspiriert von den Klanglandschaften Palästinas. Gebrochene Beats, zerhackte Basslinien und vielschichtige Melodien stehen neben eindringlichem, bedachtem Sprech-Gesang. Erinnert mich auch etwas an den Vibe einiger Dubstep-Produktionen z.B. von Digital Mystikz, wenn auch nochmal ganz anders und eigenständig. Gewiss auch unter meinen Jahres-Top10.
Bass-heavy und ultra-puristisch begegnet uns Soreab auf „CU“ [polaar]. Der in East London lebende italienische Produzent Dario Picchi veröffentlicht seit 2018, zuletzt die Kollaborations-EP „Pressure 3D“ mit Om Unit. Auf „CU“, kurz für „Completely Unstable“, verdichtet er Techno, Grime, Dub und Industrial zu packenden Clubsounds. Raster-Noton Releases kommen mir da wieder in den Sinn…
Auf dem Brüssler Maloca-Imprint (Le Motel) erscheint „Somewhere Between“ von dem aus Österreich stammenden und in London lebenden Will Hofbauer. Eine EP mit 6 Stücken, reduzierter Shuffle-Techno mit bisweilen lustigen, schrägen Sounds wie Kratzen, Quaken, Blubbern und stark perkussiver Energie - besser als Eulberg. Macht Spaß!!!
Im Januar kommt noch auf dem Pariser Logistic-Label die „Post Office 6“-Compilation mit u.a. Nick Holder, Bruno Pronsato, Tom Ellis - tolles Label, das seit 1995 ein Garant für schräg-minimale, funkige Technoproduktionen von u.a. John Thomas, Robert Hood, Dan Bell ist und mit Cabanne das Schwesterlabel Telegraph gründete. In diesem Sinne, kommt gut ins Neue und bleibt gesund!
stefan wagner