Buch

Nachtzug

veröffentlicht am 16.09.2025 | Lesezeit: ca. 2 Min.

„Nichts könnte trügerischer sein“ von Marta Pérez-Carbonell

„Nichts könnte trügerischer sein“ von Marta Pérez-Carbonell, Foto © Berlin Verlag

„Nichts könnte trügerischer sein“ von Marta Pérez-Carbonell, Berlin Verlag 2025, 221 Seiten, 24,00 Euro.

Alicia ist Bahnfahrerin. Nachtzug. London–Edinburgh. Einmal im Monat. Dabei sitzt die als Übersetzerin arbeitende Frau immer während der Fahrt in einem Abteil. Als sie das Abteil einmal verlässt, sind in der Zwischenzeit zwei Männer zugestiegen. Ein älterer und ein jüngerer. Der eine ist Literaturprofessor, der andere sein Doktorand: Terry und Bou. Letzterer hat gerade eine Geschichte veröffentlicht, die einen heftigen Shitstorm hervorgerufen hat. Doch warum? Alicia wird zwangsläufig Zeugin dieses Gesprächs, später dann hineingezogen. Auffällig ist schnell, mit welcher Offenheit geredet wird. Und schon bald verschwimmen Grenzen, welche Geschichten, die wir erzählen oder die uns erzählt werden, sind wahr? Was ist ausgedacht? Was ist Realität? „Jede Geschichte verbirgt immer mehr Informationen. Als sie preisgibt …“
Die in Spanien geborene und in den USA als Literaturprofessorin arbeitende Autorin Marta Pérez-Carbonell debütiert mit „Nichts könnte trügerischer sein“. Der Roman zieht sofort in seinen Bann. Pérez-Carbonell fängt die Atmosphäre im Zug vorzüglich ein. Sie beschreibt glaubhaft die Akteure und webt die von Bou geschriebene Geschichte in das Buch ein. Auffällig und damit reizvoll ist die andere Stilistik. In der Geschichte von Bou gibt es fast keine wörtliche Rede, die Szenen im Abteil leben natürlich von Sprache, von gesprochenen Worten, unabhängig davon, was Alicia selbst durch den Kopf geht, als sie nach und nach feststellen muss, irgendwie auch in das, was dort erzählt wird, persönlich involviert zu sein.

„Nichts könnte trügerischer sein“ ist ein Roman, der in allen Belangen überzeugt, gefällt, ja, begeistert. Es ist die Taktung der Szenen, es ist der Einbau der Geschichte und sicherlich auch die Arbeit der Übersetzerin Astrid Roth, die eben diese Unterschiede deutlich macht. Weihnachten ist noch etwas hin, aber dieses Buch ist eine perfekte Geschenkidee für alle, die Literatur lieben.

Rainer Scheer

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