„Ich will zeigen, dass Frauen über 50 mitten im Leben stehen“
veröffentlicht am 15.07.2025 | Lesezeit: ca. 7 Min. | von
Interview mit Pia Hierzegger zu “Altweibersommer”
Pia Hierzegger, 1972 in Graz geboren, ist Schauspielerin, Drehbuchautorin, Regisseurin und Ensemblemitglied des „Theater im Bahnhof“. Seit den frühen Nuller-Jahren ist sie eine feste Größe im österreichischen Film, unter anderem in Produktionen von Michael Glawogger, Ulrich Seidl und Marie Kreutzer. Ihren trockenen Humor und scharfen Blick auf gesellschaftliche Zwischentöne bringt sie nun auch in ihrem ersten Langfilm als Regisseurin auf die Leinwand: Altweibersommer erzählt von drei langjährigen Freundinnen auf einem Campingplatz – und vom Älterwerden, vom Sterben, vom Festhalten und Loslassen. Als Gastauftritt tritt Josef Hader auf, der Lebensgefährte von Pia Hierzegger. Mit der Regisseurin unterhielt sich unser Mitarbeiter Dieter Oßwald.
Doppelpunkt: Frau Hierzegger, waren Sie überrascht vom Erfolg? Ihr Debüt war die Nummer eins in Österreich.
Hierzegger: Je länger man sich mit dem eigenen Film beschäftigt, desto weniger kann man dann noch irgendwas beurteilen. Man arbeitet ja wirklich zwei Jahre daran, mit Schnitt und Vorbereitung für den Kinostart, und versucht, es so gut wie möglich zu machen. Aber ob das dann auch anderen Leuten gefällt, weiß man natürlich nicht. Es hat mich sehr gefreut – auch die persönlichen Gespräche auf der Kinotour, das war immer sehr, sehr schön.
Doppelpunkt: War das Theaterstück „Drei Schwestern im Urlaub“ die Vorlage für den Film, oder gab es nur thematische Ähnlichkeiten?
Hierzegger: Das ist mir eigentlich erst später aufgefallen, dass es wieder um drei Frauen geht. Nein, es ist ganz anders. Das Einzige, was es gemeinsam hat, ist, dass die Frauen eine lange Freundschaft verbindet. Aber bei „Drei Schwestern“ sind zwei verwandt, die dritte gar nicht – und das wird auch gleich im Film klargestellt. Theater und Kino brauchen ohnehin eine ganz andere Textform, und auch thematisch ist es nicht dasselbe.
Doppelpunkt: Sind die drei Damen vom Campingplatz vielleicht ein bisschen die Cousinen der „Vorstadtweiber“?
Hierzegger: Dazu kenne ich die „Vorstadtweiber“ zu schlecht. Ich schaue zu wenig Fernsehen, meistens Fußball oder Nachrichten. Und dann reicht’s mir auch schon wieder. Ich gehe tatsächlich lieber ins Kino. Und ich bin auch gar nicht so ein Serienjunkie.
Doppelpunkt: Was hat es mit dem Titel „Altweibersommer“ auf sich?
Hierzegger: Ja, genau. Ich finde, der Titel ist ein bisschen vielschichtig, weil er einerseits ironisch gemeint ist – als Frau würde man sich selbst ja nicht mit über 50 als altes Weib bezeichnen. Aber ich fand das Wort einfach schön und einprägsam, wie Sie sagen. Und auch dieses Gefühl vom Ende des Sommers, wo man weiß: Jetzt muss man die Zeit noch nutzen, weil bald ist Winter – das ist ja im Leben auch so. Irgendwann merkt man, man hat nicht ewig Zeit, man sollte nicht einfach weitermachen wie bisher, sondern die Dinge tun, die man gern machen würde.
Doppelpunkt: Das Thema Tod schwingt durch die Figur der erkrankten Elli mit. Wie vermeiden Sie bei so einem Thema die Klischeefallen – Krankheit, Krebs, Sentimentalität?
Hierzegger: Das war schon auch eine Angst, vor allem weil ich selbst – Gott sei Dank – bisher nicht betroffen bin. Es war mir wichtig, diese Krankheit nicht zu benutzen, sondern sehr ernst damit umzugehen. Während der Zeit, in der ich geschrieben habe, sind auch gute Freundinnen und Freunde erkrankt – das hat das Schreiben sehr geprägt. Der wichtigste Moment war die Erkenntnis: Man muss nicht alles erzählen, sondern eine besondere Geschichte. Denn jeder Mensch geht anders damit um, jede Krankheit verläuft anders – und es soll nie humorlos werden, weil Humor für mich ein Teil der Weltsicht ist.
Doppelpunkt: Frauen über 50 spielen im Film kaum Hauptrollen. War das ein Auslöser für Sie?
Hierzegger: Ja, das war ganz egoistisch auch meine Idee, weil ich halt spiele. Ich kriege zwar tolle Rollen angeboten, aber es ist selten die Geschichte einer Frau über 50. Meistens ist es die Mutter oder die Ehefrau der Hauptfigur. Dabei gibt es so viele Geschichten, die ich gerne erzählen und auch spielen würde. Ich wollte zeigen, dass 50-jährige Frauen nicht zu Hause sitzen und aufgegeben haben, sondern mitten im Leben stehen und Spaß haben.
Doppelpunkt: Stört es Sie, dass man Sie häufig nur als Partnerin von Josef Hader wahrnimmt. Umgekehrt wird das nie hinzugefügt – obwohl Sie selbst über 30 Filme gemacht haben?
Hierzegger: Ich glaube, das ist vor allem in Deutschland so, weil der Josef dort bekannter ist. In Österreich ist das gar nicht so ein Thema. Ich sehe mich trotzdem als eigenständige Künstlerin – ich mache gerade ein Projekt, bei dem Josef gar nicht beteiligt ist, und in seinem letzten Film bin ich auch nicht dabei.
Doppelpunkt: Beraten Sie sich gegenseitig bei Ihren Projekten oder bleibt da jeder für sich?
Hierzegger: Wir lassen uns gegenseitig unsere Bücher lesen oder erzählen einander Ideen. Wenn da gar kein Feedback oder Interesse kommt, weiß man gleich Bescheid. Es ist einfach praktisch, wenn man sich im gleichen Raum aufhält und gleich ausprobieren kann. Aber ich arbeite auch seit über 30 Jahren im Theater im Bahnhof, und da habe ich Kolleginnen und Kollegen, die ich um Feedback bitte. Der Austausch ist wichtig – auch beim Film: Er steht bei meinem Film als künstlerischer Mitarbeiter dabei, ich bei seinem.
Doppelpunkt: Sie haben Regie geführt, das Drehbuch geschrieben, und spielen auch noch mit. Ist das einfacher, wenn man die Hauptrolle selbst übernimmt – oder schwieriger?
Hierzegger: Es war wahnsinnig fordernd und anstrengend – ich sage nicht, dass ich das jetzt immer so machen will. Aber es war auch eine tolle Herausforderung. Eigentlich war klar, dass die Hauptrolle jemand anderes spielen wird – das war dann Uschi Strauss, und das hat super gepasst. Sie trägt den Film, weil die Figur so aktiv ist, und sie bringt sehr viel Erfahrung mit. Zusammen mit Diana Amft, die ganz anders ist, hat das das Dreieck schön komplettiert.
Doppelpunkt: Ihr nächstes Projekt soll ein Fußballfilm sein – führen Sie da auch Regie?
Hierzegger: Na ja, in Österreich kann man momentan nicht einfach sagen: „Ich mache einen Film.“ Die Finanzierungslage ist sehr schwierig. Die letzte Regierung hat ein neues System eingeführt, das zwar sehr attraktiv war, aber leider nicht gedeckelt. Jetzt hat die neue Regierung das System wieder abgeschafft. Man hätte eine Zwischenlösung finden können, jetzt fehlt das Geld, viele Projekte stehen still.
Doppelpunkt: Das heißt, Ihr Film liegt aktuell auf Eis?
Hierzegger: Er wird im September eingereicht. Aber es gibt sehr viele Filme, die jetzt auf Geld warten. Es ist alles sehr ungewiss, man weiß nichts. Wir würden gerne im Februar oder im Frühjahr drehen – aber daran glaube ich nicht wirklich. Es ist momentan alles in der Warteschleife.
Doppelpunkt: Was fasziniert Sie am Thema Fußball?
Hierzegger: Ich bin seit meiner Kindheit Fußballfan und habe auch eine Dauerkarte – obwohl mir der Klub nicht immer Freude macht. In dem Roman „Nicht wie ihr“ von Toni Schachinger hat mich die Parallelwelt interessiert, in der Fußballer leben: ständig öffentlich, wie ein Aushängeschild. Auch der Humor hat mich angezogen. Und ich wollte vielleicht einen weiblichen Blick auf so einen männlichen Fußballstar werfen.
Dieter Oßwald