We need to talk about Kevin

Filmstart: 16.8.
Regie: Lynne Ramsay;
Darsteller: Tilda Swinton, John C. Reilly, Ezra Miller, Jasper Newell, Rock Duer, Ashley Gerasimovich, Siobhan Fallon Hogan, Alex Manette

Wie fühlt sich die Mutter eines Massenmörders? Wer will das sehen? Auf den ersten Blick sicher richtig. Aber wer die Hemmschwelle überwindet, wird mit einem packenden Psychothriller belohnt, der es locker mit „Rosemary's Baby" aufnehmen kann. Gleich das erste Bild, eine rote Menschenmenge inmitten einer Tomatenschlacht, gibt das unheimliche Szenario vor. Es ist nur ein Traum von Eva, deren eigentlicher Albtraum in der Wirklichkeit stattfindet. Ihr 16jähriger Sohn hat an der Schule ein Massaker angerichtet. Noch Jahre später wird die Mutter von ihrer Umgebung dafür verantwortlich gemacht. Das Haus wird regelmäßig mit roter Farbe angemalt. Nachbarn geben ihr auf offener Straße eine Ohrfeige oder zerbrechen beim Einkauf den Inhalt ihrer Eierschachtel. Mit raffiniert verschachtelten Rückblenden erfährt man, dass die Reisejournalistin gar keine Kinder haben wollte, doch sie gab dem Drängen des Gatten nach. Mit Kevin wird die Mutter wider Willen von Kindertagen an enorme Probleme haben. Doch darüber wird in dieser Familie nicht gesprochen. Erziehung findet ganz einfach nicht statt, zumal der Papa die bösen Absichten seines Teufelsbratens schlicht ignoriert, derweil die ohnmächtige Mutter immer mehr an ihre Grenzen stößt. Ihre Verzweiflung wirkt umso eindrucksvoller, weil Tilda Swinton bei dieser Gefühls-Geisterbahn einmal mehr eine meisterhafte tour de force abliefert.

Regisseurin Lynne Ramsay, die bereits mit „Ratchatcher" ihr visuelles Talent überzeugend unter Beweis gestellt hat, setzt erneut auf eine eindrucksvolle Bildsprache. So assoziativ und mit Zeitsprüngen die Geschichte erzählt wird, geht der (blut)rote Faden hier nie verloren. Werden Menschen böse geboren? Oder werden schlechte Kinder durch schlechte Eltern gemacht? Der perfekte Stoff für einen perfekt bösen Thriller!

Dieter Oßwald