Schottische Studie

„Blut Salz Wasser", von Denise Mina, ariadne, 363 S., 19 Euro

„64" von Hideo Yokoyama (Atrium, 28 Euro) ist einer dieser echten Kritikerlieblinge. Der Bestseller aus Japan und England wird als üppige Studie der modernen japanischen Gesellschaft und ihres komplexen, streng hierarchischen Polizeiapparats gefeiert. Allerdings braucht man für das wunderschön aufgemachte Hardcover einen langen Atem. Denise Mina, die preisgekrönte Königin der schottischen Krimiliteratur, zeigt in ihrem frisch erschienenen Roman Blut Salz Wasser, dass es auch mit weniger Seiten und Längen geht. Um die Qualitäten des fünften Falls von DI Alex Morrow genießen zu können, muss man die bei Heyne veröffentlichten Vorgängerbände nicht einmal kennen. Mina, die auch Theaterstücke verfasste, Stieg Larssons „Millenium"-Buchserie als Graphic Novels adaptierte und ein Jahr lang die Comic-Serie „Hellblazer" über den Okkultisten John Constantine schrieb, konstruiert einen Fall, der Noir und Hardboiled verbindet. Die Finsternis in der Gesellschaft und dem Alltag ist also genauso präsent und wichtig wie die Polizeiarbeit. So gelingt Mina ein schonungsloses Portrait Schottlands, das während des Referendums zur Unabhängigkeit hinter die Postkartenschönheit und die Klischees blickt. Großstadt, Kleinstadt, Polizeipolitik; Ermittler, Gangster, Betrüger, Killer, Bauern, Anwälte – bei Mina bekommen sie alle Profil, alle eine Stimme, alle ein Gewicht. Hin und wieder addiert sie etwas zu viel Personal und zu viele Perspektiven, und vielleicht will der Fall am Ende auch etwas zu clever sein. Doch handwerklich präsentiert sich das immer als sehr ordentliche bis sehr gute Krimikost, deren deutschsprachige Übertragung bei der bekannten Autorin und Übersetzerin Zoë Beck in guten Händen ist. Im ariadne-Imprint des Argument Verlags soll demnächst noch ein älterer Murrow-Roman von Denise Mina erscheinen, was Fans schottischer Krimis definitiv freuen darf.

Christian Endres