„Der Fall Kallmann" von Hakan Nesser, btb, Hardcover, 569 Seiten, 20 Euro.
Schön, wenn ein Autor seine Leserschaft stets zu überraschen weiß. In „Der Fall Kallmann" ist es ein perspektivischer Kunstgriff. Es geht um den Tod an einem Gesamtschullehrer, der nach Jahren der Abwesenheit an die Schule zurückgekommen ist. Kallmann ist eine Art Sonderling, hat nur wenige soziale Kontakte und war scheinbar einem alten Verbrechen auf der Spur, das in dem kleinen Städtchen K. in Nordschweden begangen worden ist. War also der Treppensturz tatsächlich nur ein Unfall, oder war Kallmann irgendwem mit seinen privaten Ermittlungen zu nahe gekommen? Wahrscheinlich wäre diese Geschichte gar nicht weiter verfolgt worden, wenn nicht Leon Berger, Kallmanns Nachfolger für den Schwedischunterricht an eben dieser Gesamtschule, im Pult von Kallmann, das er jetzt übernimmt, auf vier Tagebücher gestoßen wäre. Der Inhalt ist verstörend. Schnell stellt sich zudem die Frage, ob sich in den Aufzeichnungen nicht Realität und Erdachtes vermischen, denn Kallmann soll durchaus auch eine schriftstellerische Ader gehabt haben; zwei unter Pseudonym veröffentlichte Romane legen davon Zeugnis ab.
Hakan Nesser erzählt die Geschichte aus vier Perspektiven, also stets in der Ich-Form, doch gibt er den Berichtenden jeweils eine eignen Stil und Sprachduktus, was vor allem die Sicht der Schülerin sehr authentisch macht. Sprachliche Klasse findet sich immer wieder, es gibt im Buch wunderbare, bemerkenswerte Passagen, die reizen, sie sofort noch einmal zu lesen. „Der Fall Kallmann" bleibt spannend. Vielleicht auch gerade, weil er nicht typischen Mustern folgt, unkonventionell erzählt ist und in einem Zeitraum von Mitte der 90iger Jahre bis hin in die Gegenwart reicht. Prädikat: unbedingt lesenswert!
Rainer Scheer
Stand: 13.11.2017
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