Du wirst mich in Erinnerung behalten

Kinostart: 7.12., Regie: Eric Tessier;
Besetzung: Rémy Girard, Karelle Tremblay, Julie Le Breton u.a.

„Nachtigall, ick hör dir trapsen" denkt man im Allgemeinen, wenn eine Verfil-mung auf einem Theaterstück basiert. Wie oft schon gelang es der Adaption nicht, die „Vierte Wand" der Bühnensituation zu durchbrechen und eine filmisch adäquate Form zu finden. Nicht so hier: Der kana-dische Theaterautor François Archambault war an der Verfilmung seines gleichnami-gen Theaterstücks als Koautor beteiligt, Regisseur und Drehbuchautor Éric Tessier findet wunderbar zurückhaltende Bilder für die sensible Geschichte.
Im Mittelpunkt steht Édouard (Rémy Girard), ein pensionierter Geschichtspro-fessor und Star seiner Zunft, der nie müde wird zu betonen, dass sein Langzeitge-dächtnis herausragend funktioniert. Das stimmt, doch am Kurzzeitgedächtnis hapert es zunehmend: Édouard hat Alz-heimer, und es wird – wie immer bei dieser verflixten Krankheit – schlimmer. Seine Frau Madeleine (France Castel) ist mit der Situation überfordert und flüchtet in die Arme eines anderen. So müssen sich Édouards Tochter Isabelle (Julie Le Breton) und ihr Freund Patrick (David Boutin) um den kranken alten Mann kümmern. Und da braucht es Nerven wie Drahtseile, wenn einem der Professor dieselbe Frage zum x-ten Mal stellt.
So wichtig Alzheimer und Demenz auch sind, rein dramaturgisch stellen diese Themenfelder ein Problem dar, weil der Ausgang klar ist. Hier allerdings kommt Bewegung in die Abwärtsspirale: Als Édouard in Patricks Tochter Bérénice (Karelle Tremblay) – sie ist für ihren Vater als Babysitter für den Schwiegerva-ter eingesprungen – seine andere Tochter Natalie erkannt zu haben glaubt, lässt sich Bérénice auf dieses Spiel ein. Doch Nata-lie hat sich vor vielen Jahren das Leben genommen, nicht nur Édouard hatte das verdrängt, sondern seine ganze Familie.
Und so beginnt man mit den Figuren zusammen zu sinnieren, was denn für den Kranken das Beste sein könnte. Das ist großartig gespielt und lässt Raum für die eigenen Gedanken. Und die laufen vor allem auf eine Erkenntnis zu: die Bedeu-tung des Augenblicks.

Martin Schwarz