Happy End

Filmstart: 12.10.; Regie: Michael Haneke, Darsteller: Isabelle Huppert, Jean-Louis Trintignant, Mathieu Kassovitz, Franz Rogowski u.a.

Eines kann man Michael Haneke wirklich nicht unterstellen: dass er eine leichte Hand hat. Braucht er auch nicht, die Talente des deutsch-österreichischen Regiegenies liegen im Sezieren von gesellschaftlichen Phänomenen, im genauen Beobachten von Konflikten, im intensiven Drama. So wirkt es in seinem neuen Film eher irritierend, dass dieses hier ausgebreitete Familienpanorama mitunter einen komödiantischen (aber nur wenig komischen) Ansatz zeigt. Den Patriarchen kennen wir aus Hanekes vorherigen Film „Liebe": George (Jean-Louis Trintignant) ist nach dem Tod seiner Frau im wahrsten Sinne des Wortes lebensmüde. Das Treiben seiner Nachkommen um ihn herum stimmt ihn auch nicht gerade wohlgemut: Seine Tochter Anne (Isabelle Huppert) muss sich mit ihrem alles verweigernden Sohn Pierre (Franz Rogowski aus „Love Steaks" und „Victoria") herumärgern; sein Sohn Thomas (Mathieu Kassovitz) hat gerade seine 13-jährige Tochter Eve (Fantine Harduin) aus seiner ersten Ehe bei sich aufgenommen, nachdem Eves Mutter gestorben ist. Das Verhältnis der beiden darf man als schwierig bezeichnen. Vielleicht liegt es an der Vielzahl der Figuren, dass einen der Moralist Michael Haneke dieses Mal emotional nicht so aufrührt wie in den Filmen zuvor. Erneut erzählt er von der Unfähigkeit zur Kommunikation und bezieht in diese Kritik auch das Internet mit seiner Pseudo-Nähe mit ein. Zudem erinnern diverse Figuren und Konstellationen an ältere Haneke-Filme, das marokkanische Hausmeisterpaar etwa an „Caché" oder die kalte Eve an „Bennys Video". Sie alle sind Teil eines Figurenkonstrukts, das stellvertretend für das Leben im 21. Jahrhundert steht. „Happy End" ist hervorragend besetzt, raffiniert inszeniert. Doch eines gelingt diesmal weniger: Das Haneke-Kunststück, durch distanziertes und kühles Erzählen extrem viele Emotionen auszulösen.

Martin Schwarz