Auf dem dritten Album von No-No Boy „Em-pire Electric" (Smithsonian Folkways/Galileo Music) wandelt Singer/Songwriter Julian Saporiti in einer besonderen subtilen Crossover-Umgebung aus feinsinniger, detailverspielter World Music und Indie-Folk, in seinen Themen und Texten stellt er wahre Geschichten von Kämpfen aus ganz Asien und der Diaspora seinen eigenen Recherchen zu gene-rationenübergreifenden Traumata gegenüber, untersucht Imperialismus, Identität und Spiritualität. Stilistisch verbindet er Einflüsse aus Asien mit amerikanischer Instrumentierung (wie z.B. Banjo, Lap Steel). Die treffen auf elektronisch bearbeitete Field-Recordings mit rauschendem Wasser und zwitschernden Vögeln, Samples des vietnamesischen Saiteninstruments Đàn bầu, der japanischen Bambusflöte Shakuhachi oder auch der japanischen Zither Koto. Das Erzählen von Geschichten war schon immer die Grundlage von Julian Saporitis Musik als No-No Boy, die er als zentralen Bestandteil seiner Doktorarbeit an der Brown University entwickelt hatte. Auf der Grundlage jahrelanger Feldforschung und Recherchen zur asiatisch-amerikanischen Geschichte schrieb er Folksongs mit großem Einfühlungsvermögen und besonderen Protagonisten: Gefangene in japanisch-amerikanischen Internierungslagern, die eine Jazzband gründeten, vietnamesische Musiker, die von amerikanischen Truppen für den Rock 'n' Roll begeistert wurden, ein kambodschanisch-amerikanischer Maler, der nur die schönsten Landschaften seiner vom Krieg zerrütteten Heimat malte. Auf dem Weg dorthin begann er, die Geschichte seiner eigenen Familie zu verarbeiten, darunter die Flucht seiner Mutter aus Vietnam während des Krieges. Nach dem Abschluss seiner Doktorarbeit und der Veröffentlichung seines Debüts „1975" fand er sich in einer Sackgasse und zog sich zusammen mit seiner Frau Emilia Halvorsen nach Blue Cliff zurück, einem Kloster im Staat New York, das vom vietnamesischen buddhistischen Lehrer und Schriftsteller Thích Nhất Hạnh gegründet wurde. Dort atmete er durch, orientierte sich neu und fand einen neuen Blickwinkel für seine Geschichten. „Die verkalkte Maske des intellektuellen Profis begann aufzubrechen", erklärt er in den Liner Notes. „Little Monk", für Saporiti Herzstück des Albums, ist ein sehr autobiografischer Song, der über den Prozess der Öffnung reflektiert, der in Blue Cliff begann. „Tend your garden, do not harden, at the cruel and constant spinning of your mind's demands". Saporiti kom-poniert seine Musik am Kap Sebastian, wo 1603 asiatische Seeleute zur Besatzung gehörten, die Oregon erstmals „entdeckten". Das Konzept ist für ihn ein „Brückenschlag" zwischen Asien und Amerika, er schafft eine klangliche Manifestation der Orte, die durch Konflikte und geopolitischen Mist verloren gegangen sind. „Ich sample Instrumente von einem Ort, an den man nur sehr schwer oder gar nicht zurückkehren kann", sagt er. „Wenn man wie ich in eine dieser Familien hineingeboren wird, existiert das Land der Mutter nicht mehr, oder der Name hat sich geändert. Das Land, in dem sie geboren wurde, war Französisch-Indochina und dann Südvietnam. Wie findet man diesen Ort, der nur in der Vergangenheit existiert?" Saporiti hat diese Orte in seinen Texten und den instrumental-feinziselierten Arrangements zum Leben erweckt.
Jürgen Parr
Stand: 05.11.2023
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